Felderlandschaft im Wendland

Wasser

Die Kulturelle Landpartie — Menschen reisen von überall an, um sich die würzige Mélange aus Landluft und kosmopolitischem Kulturangebot nicht entgehen zu lassen. Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite und die Sonne scheint den ganzen Mai auf das satte Grün des Wendlands. Erfrischungen winken von allen Seiten. Es gibt selbstgemachtes Eis, Pizza aus dem Lehmofen und kühles Wendlandbräu. Fast jedes Dorf lockt mit einem prallgefüllten Programm. Es gibt Musik, Theater und Kabarett. Wer es lieber unkonventionell mag, lässt sich auf ein agro-maritimes Schauspiel der besonderen Art ein und geht zum Fischkino. Ein großes Aquarium steht auf einem sonnengebadeten Feld. Hier muss sich wirklich kein Ökotourist langweilen. Höchstens ein Feuerwerk könnte manch eine vermissen. Doch zum Trost gibt es jeden Abend das Ballett der Beregungsanlagen. Beim Thema Beregnung scheinen sich industrielle und ökologische Landwirte und Landwirtinnen einig, niemand der auf sie verzichtet.
Im Herzen dieses bunten Treibens führt mein Weg mich zu zwei Menschen. Seit Jahren bewirtschaften R und D ein kleines Stückchen Land gemeinsam mit ihren Pferden bei Naulitz. Mit ihrer Arbeit erzeugen sie Gemüse für etwa 35 Personen. Damit sind sie im Wendland bei weitem nicht die einzigen, denn Solawis gibt es hier wie Bars auf Sankt Pauli. Doch eine Sache sticht bei R und D hervor. Seit 2018 beobachten die beiden ernstzunehmende Anzeichen einer Dürre. Regen fällt nur noch selten. Wetterlagen scheinen sich festzufahren und wochenlanger Sonnenschein ist plötzlich keine Seltenheit mehr. Alte und gesunde Bäume sterben ab, Feuerwehrbrunnen fallen trocken, Schnecken lassen sich im Garten kaum mehr blicken. All diese Phänomene veranlassen R und D zu einigen Maßnahmen. Sie speichern das Regenwasser, das im Herbst und Winter anfällt in einem großen Speicherbecken. Ihre Pflanzen werden mit Tröpfchen bewässert. Dazu bringen sie spezielle Schläuche aus, die in regelmäßigen Abständen tröpfchenweise Wasser abgeben. Dadurch wird die Erde gleichmäßig befeuchtet und der Boden kann das Wasser besser aufnehmen als bei einer Beregnung. Außerdem werden Mulchschichten aus Naturmaterialien wie zum Beispiel Stroh verwendet, die den Boden vor Sonneneinstrahlung schützen, und den Wasserverlust durch Verdampfen verringern.
Die Gärtnerei von R und D verzichtet seit einigen Jahren auf das sonst weit verbreitete Pflügen des Bodens, bei dem der Boden umgewälzt wird. Dies sorgt kurzfristig für eine Lockerung des Bodens, führt langfristig aber zu Verdichtungen und zur Schädigung des Bodenlebens. Ähnnlich verhält es sich beim Fräsen, einer ebenfalls verbreiteten Bodenbearbeitung. Beim Fräsen zerschlagen Messer die Grasnarbe mitsamt der oberen Bodenschichten. Das Ergebnis ist ein kurzfristig lockerer Boden. Langfristig schädigt das Fräsen das Bodenleben, wodurch letztlich die Wasseraufnahme und die Speicherkapazität des Bodens verschlechtert wird. Gesunder Boden kann Wasser wie ein Schwamm aufnehmen und dieses halten. Bodenpflege ist also ein wichtiges Mittel um den Bewässerungsbedarf des Gartens zu reduzieren.

Im Wendland sind die Häuser selten an städtischen Abwassersystem angeschlossen. Daher setzen viele Haushalte auf Pflanzenkläranlagen zur Abwassentsorgung. Es handelt sich dabei um ein ziemlich simples System aus einer herkömmlichen Dreikammergrube, in der die Feststoffe von der Flüssigkeit getrennt werden. Die überbleibenden Flüssigkeiten werden in ein Schilfbeet gepumpt. Dort zersetzen Mikroorganismen nahezu alle Substanzen und machen diese unschädlich. Problematisch sind allerdings Medikamente, wie z.B. Antibiotika. Die geklärten Flüssigkeiten können dann über Teiche oder Bäche in die Natur geführt werden. Die Feststoffe in den Gruben könnten theoretisch kompostiert werden, dies ist jedoch in Deutschland per Bundesgesetz verboten. Stattdessen müssen die Gruben in regelmäßigen Abständen abgesaugt werden. Wohin das ganze abgesaugte Material schließlich kommt, ist mir unklar. Wahrscheinlich landet am Ende alles in Müllverbrennungsanlagen, nachdem zuvor vielleicht noch etwas Biogas hergestellt wurde.
Doch zurück zum Wasser. Die häuslichen Abwässer an Ort und Stelle zu klären, führt zu kleinen Wasserkreisläufen. Das Leitungswasser kann lange auf dem Grundstück gehalten werden und steht somit der Tier- und Pflanzenwelt zur Verfügung. Ich konnte mich immer wieder von der Lebendigkeit der Gewässer überzeugen, die an solche Schilfbeete angeschlossenen waren. Schon von weitem erklang das Konzert der Frösche und Kröten. Die Pflanzenkläranlagen des Wendlands sind für mich ein schönes Beispiel für einen umweltschonenden Umgang mit Abwasser.
Trotzdem ist noch einiges zu tun. In den letzten fünf Wochen hatten wir nur ein einziges Mal richtigen Regen. Die Sonne schien an fast allen Tagen. Es ist jetzt Anfang Juni und die Wiesen färben sich bereits gelb. Das satte grün des Frühlings weicht dem mageren gelb des Hochsommers und das drei Wochen vor der Sommersonnenwende. Noch ist die Wasserknappheit dem Lande kaum anzumerken, weil das Grundwasser fast überall zur Bewässerung der Felder angezapft wird. Doch wie mir R und D erzählen, erlebt das Wendland 2023 den fünften dürreartigen Sommer hintereinander. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, wird das Grundwasser die Regenausfälle nicht dauerhaft ersetzen können.
Ich gebe hier die Sicht von zwei Einzelpersonen wieder, und es wird sicher einige Menschen geben, die diesen Beobachtungen wiedersprechen möchten. Trotzdem ist ein schonender Umgang mit Wasser wichtig, denn es bildet die schlichte Grundlage unserer Ernährung. Ohne Wasser wächst keine Pflanze und ohne Pflanzen bleiben unsere Teller leer. Die Wassersparmaßnahmen, die R und D eingeführt haben, sind für einen kleineren Gemüsebaubetrieb vielleicht noch durchsetzbar, sie lassen sich aber nicht so gut skalieren. Der Verzicht auf Pflügen und Fräsen, der Einsatz von Tröpfchenbewässerung und das Speichern von winterlichem Regenwasser wird für viele größere Betriebe schlichtweg nicht wirtschaftlich sein.
Mir zeigt dieser Aspekt ein weiteres Mal und auf einer neuen Ebene, dass nachhaltige Ernährung mehr erfordert als den Kauf des richtigen Produkts. Aktive Mitgestaltung der eigenen Bezugsquellen ist der Weg zur wassersparenden, ökologisch und sozial nachhaltigen, gesunden und nicht zuletzt leckerer Nahrung.

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