Buntes Gewächshaustreiben

Buntes Treibhaustreiben

Nur etwa 200 m von der Brasilia entfernt befindet sich die Bioland-Gärtnerei Knofis & so. Die Mutter einer Freundin von G hat für mich einen Kontakt mit der Geschäftsführerin W hergestellt.
Hilfe kann die Gärtnerei gerade sehr gut gebrauchen, und so heißt mich W nach einem kurzen Telefonat herzlich willkommen. Am Sonntag, den 25. Juni 2023 fahre ich zu den Feldern der Knofis, wo ich mich etwa eine Woche am Bau zweier Thermohäuser beteiligen werde.
Noch am selben Tag beginnt meine Mitarbeit und ich putze Dachpfetten bis zum Abend. Das Team besteht aus zwei us-amerikanischen Voluntären N und P, zwei Mitarbeitern, Ju und T, sowie einem externen Monteur. Außerdem unterstützt uns Jo, der Partner von W.
Am Montag beginnt der Anbau der Dachpfetten. Die schweren Querbögen werden mit viel Kraft ausgerichtet und in heikler Balance von einigen Händen in der Senkrechten balanciert, bis die Dachpfetten festgeschraubt sind. Die Sonne strahlt uns ins Gesicht und Schweiß rinnt mir in die Augen. Worte werden sparsam verwendet, alle sind angespannt.
Zur Mittagspause ist die Montage der Dachpfetten vollbracht und die Häuser tragen sich von nun an selbst. Die nachfolgenden Arbeiten kosten weniger Kraft und sind weniger heikel, dennoch bleibt die Anspannung. Der Monteur bleibt nur eine Woche und es gilt, die Häuser bis dahin fertigzustellen.

In den vergehenden Tagen werde ich schrauben, heben, putzen, kleben. Meine Aufgaben erfülle ich meistens allein. Die Sonne brennt und macht mich träge. Jeden Abend verlasse ich die Baustelle als erster, denn mehr als neun Stunden Arbeit möchte ich nicht leisten. Die anderen wiederum lassen sich vom anspruchsvollen Ziel zu Schichten von elf oder zwölf Stunden treiben. Am Ende der Woche wird der Erfolg ihnen Recht geben.

Am vierten Tag bespannen wir die Häuser mit der Dachfolie. Wir verrichten diese schwierige Aufgabe in empfindlicher Eile innerhalb eines Vormittags bei beiden Häusern. Die meisten von uns stehen hoch auf wackeligen Leitern, ziehen oder halten die sperrige Folie. Wer Pech hat, muss die Folie von unten anheben, wo die Sonne mit doppelter Kraft die dürftige Atemluft faulen lässt. Doch die Härte unserer Arbeit wird belohnt und so erhält die Gärtnerei nach einer Woche weitere 1000 Quadratmeter Gewächshausfläche.

Den Rhythmus der anderen durchbreche ich durch mein vorzeitiges Ausscheiden pünktlich nach neun Stunden des Tuns. So verbringe ich die Feierabende allein. Zum Abendbrot schaufele ich kalte Teller mit Mittagsresten. Eine Dusche, vielleicht noch ein Telefonat oder ein Tagebucheintrag und ich liege im Bett in Erwartung des nächsten Tages.
Dieser beginnt mit einem knappen Frühstück, das ich ebenfalls allein zu mir nehme. Ein Espresso aus der Kanne, die ich zum Abschied von der Brasilia erhielt, ist der dunkelflüssige Seufzer meiner Morgende.
Ich putze meine Zähne und springe auf mein Rad, um mich um 7 Uhr der Baustelle anzuschließen.
Mein Körper fühlt sich schwer und schmutzig an. Was für mich eine Belastungsprobe ist, ist der Alltag des Monteurs. Für Müdigkeit lässt er uns keinen Raum. Er drillt das Team mit harten Sprüchen und spielt die männliche Hauptrolle eines unbesiegbaren Kriegers. Präzision, Stärke, Willenskraft, Ausdauer, Härte sind die Ideale unserer Baustelle. Es dürfte keine Leserin überraschen, dass sich keine Frau am Bau der Thermohäuser beteiligt. Mir ist nach einem Tapetenwechsel. Am Donnerstagabend buche ich einen Zug nach Freiburg.

Zum Sonnenuntergang des Samstags verlasse ich den Bahnhof Witzenhausen in einem klimatisierten Regionalzug. Mit Bewunderung betrachte ich das erstaunliche Relief zwischen den Kapiteln Brasilia und Knofis. Solch kitschige Kontraste dirigiert nur das Leben selbst, denke ich, während sich der Zug in eine sanfte Kurve legt und in die Nacht entgleitet.

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