La montana auf See

La Montaña

Ich bin zurück aus Rotterdam. Am Sonntag den 29.01.2023 feierte der Dokumentarfilm La Montaña seine Weltpremiere auf dem International Film Festival Rotterdam.

Eine Reise für das Leben

Der Film zeigt die Reise der Zapatista von Mexico nach Spanien in einem symbolischen Akt der Wiedergutmachung der Kolonialisierung Mexicos durch Kolumbus anlässlich des 500. Jahrestages. Im Verlauf des Films werden abwechselnd historische Aufnahmen aus der Guerillazeit der Zapatisten, des EZLN, und Szenen der Reise auf dem Schiff Stahlratte gezeigt. Die gezeigten Alltagssituationen auf dem Schiff vermitteln einen Eindruck der Aufbruchsstimmung, die während der Reise herrschte. Über Gesprächsausschnitte und Interviews vermittelt der Film die Botschaft der Zapatista an die Welt. Sie lautet, dass wir zunächst unsere Perspektive ändern müssen, wenn wir die Welt verändern wollen.
Wir befinden uns in einem Krieg gegen die Menschheit, die ein mechanistisches, kapitalgetriebenes System gegen uns führt. Der Ausweg besteht darin Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, sich zu verbinden und zu organisieren. Wir können die Kraft hierfür aus der Liebe zum Leben schöpfen und aus dem Vertrauen darin, dass die Natur eine nährende und liebende Mutter ist, die das Leben behütet, stärkt und vervielfältigt. Diese Liebe und dieses Vertrauen vereinen alle Menschen und Lebewesen dieser Erde miteinander. Sie sind die Quelle gegenseitigen Respekts und des Friedens. Es ist aus ihrem Gegenteil, nämlich aus der Angst vor der Natur, dass Entkopplung, Abspaltung, Unterwerfung und Dominanz durch jenes System folgen, das den Krieg gegen die Natur und gegen das Leben führt.
La Montaña ermutigt eigene Perspektiven zu entwickeln, um so die Welt zu verändern.

Der Film in mir

Ich hatte das große Glück diesen Film in Begleitung der Filmcrew zu sehen, die mich sehr herzlich in ihren Kreis aufnahm. Diese Begegnung mit dem Geist des Zapatismo hat mein Herz weit geöffnet und mich in einen Zustand des Urvertrauens und der Verletzlichkeit erhoben. Die wurde mir besonders bewusst, als ich Rotterdam verließ und in die verhärtete Welt des urbanen Europas zurückkehrte. Dort erfuhr ich in ungeahnter Klarheit den Effekt eines offenen Herzens auf die Menschen um mich herum. Ich schien ein Signal meiner Offenheit nach außen zu senden, das sensible Menschen empfangen konnten. Auf der siebenstündigen Zugreise nach Hamburg wurde ich einige Male mit Menschen und ihren Schicksalen konfrontiert. Ich traf auf einen Mann, der mich um eine Spende bat, um sich die Nacht an einem warmen Ort leisten zu können. Dieser Mann spürte, das mein Herz bereit war sich für ihn zu öffnen, denn er erzählte mir von seiner Vergangenheit als schwerer Alkoholiker, von seinem Kampf gegen die Sucht und von der Armut, die ihn trotz Abstinenz weiterhin begleitete. Ähnlich war es mit einem jungen Mann, der mich um etwas zu Essen bat und der meinen Apfel mangels ausreichender Zähne nicht annehmen konnte. Dieser Mensch, der kaum das Mannesalter erreicht hatte, spürte, das er sich mir anvertrauen konnte, und erzählte von seiner Handverletzung, die er sich kürzlich zugezogen hatte.
Ein weiterer Mann vertraute mir in seinem Wahn an, er sei in geheimer Mission auf dem Weg in die Ukraine. Mit zurückgehaltenen Tränen beichtete er von seiner Furcht vor dem Tod, den er bald erwartete. Auch er spürte die Nähe eines Herzens, das nicht urteilen würde, das seine Geschichte aktzeptieren würde, ohne sie in Kategorien wie wahr oder falsch, moralisch oder amoralisch einzuordnen.
Durch das Gespräch mit diesem Mann verpasste ich meinen Anschlusszug und spürte, wie mein Herz sich schloss, wie mein Selbst sich verhärtete; aus Selbstschutz, da ich die Gefahr spürte, die besteht, wenn ein weiches Herz in einer harten Gesellschaft getragen wird, denn es zieht den Schmerz der Ungesehenen an.
Ich verstand nun was die Zapatisten mit Lucha (Widerstand) meinten. Der Widerstand besteh darin, den Schmerz der Welt in unsere Herzen zu lassen, unsere Herzen zu öffnen, dort wo andere sich verschließen und auf die Kraft des liebenden Lebens zu vertrauen. Ich verstand auch, das ein Mensch allein kaum die nötige Kraft aufbringen kann, um dort hinzuhören, wo niemand hinhört, dort hinzusehen, wo niemand hinsieht. Aus diesem Grund müssen wir uns miteinander verbinden, um uns gegenseitig zu stärken.
Mir wurde die Wichtigkeit der Reise der Zapatista auf einer neuen Ebene klar. Sie trugen ihre Botschaft als Samen in die Welt, die von offenen Herzen aufgenommen werden würden, um in ihnen zu keimen und zu kraftvollen Bäumen des Widerstandes für das Leben heranzureifen.
Für alle, die sich eine andere Welt vorstellen können, besteht nun die Aufgabe darin, den Keim des Widerstandes zu nähren und darauf zu vertrauen, dass wir in Verbundenheit zum Leben den Krieg gegen die Menschheit beenden können.

Weiterführendes

Allen, denen der Zapatismus neu ist, empfehle ich wärmstens den Film La Montaña von Diego Osorno zu sehen, der kurz vor seiner Veröffentlichung steht. Ein Trailer ist jetzt schon auf dem YouTube-Kanal von Detective Films zu sehen.
Weitere Informationen über die Zapatisten und über das EZLN können auf der folgenden Webseite gefunden werden: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/

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